Von Robert Icke, sehr frei nach Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“, aufgeführt vom Schauspiel Hannover in der Regie von Stefan Pucher.

Worum geht es? Eine Vierzehnjährige kommt nach einer missglückten Abtreibung in eine Klinik und wird von Professor Ruth Wolff (unglaublich stark und glaubwürdig gespielt von Johanna Bantzer) behandelt. Trotz aller Versuche ist das Mädchen nicht mehr zu retten und liegt im Sterben. Ein herbeigeeilter Pfarrer wird von der Ärztin daran gehindert, dem Mädchen die letzte Ölung zu geben. Noch während des Disputs verstirbt das Mädchen.

Daraufhin bricht ein Shitstorm los, es kommt zu Anklagen und Beschuldigungen, in deren Verlauf das Mädchen und der eigentliche Vorfall schon bald gar keine Rolle mehr spielen. Dafür brechen sich Rivalität, Machtkämpfe, Opportunismus die Bahn und führen schließlich zum Fall der Ärztin, die ihre Approbation verliert.

Foto: Kerstin Schomburg

Und zum Schluss bleibt die Frage: Was macht einen Menschen aus? Seine Identität? (Aber was ist Identität? Können wir das immer so genau sagen?) Seine Gruppenzugehörigkeit? Sein sozialer Status?

Wie sagen wir Übersetzer immer: Kontext ist alles – so auch bei diesem Theaterstück. Denn mit jedem Stück Kontext, das dem Zuschauer nach und nach geboten wird, verändern sich das Gehörte und Gesehene und am Schluss weiß man nur: Nichts ist, wie es scheint. Schubladendenken bringt uns hier nicht weiter.

Das war eine Aufführung der Sonderklasse. Das Stück geht noch lange mit dem Zuschauer und bietet enormen Diskussionsstoff.

Charakteristisch ist vielleicht der Wortwechsel: „Aber Sie sind doch auch ein Mensch!“ Antwort Ruth Wolff: „Ich glaube, ich bin mehr … Ärztin.“

Dem gesamten Ensemble muss man ein Lob aussprechen. Dem intensiven Spiel wirklich aller Schauspieler ist es zu verdanken, dass dieser Abend nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Schade, dass einige Plätze im Parkett frei geblieben sind. Ich hatte einen größeren Andrang erwartet, denn die Brisanz des Stückes (dessen Vorlage ja schon über 100 Jahre alt ist) hat auch gerade heute nichts an Aktualität verloren.

Zwei weitere Aufführungen sind noch im Rahmen der Ruhrfestspiele zu sehen, und zwar an diesem Pfingstwochenende, jeweils um 17:00 Uhr . Der Besuch lohnt sich!