Wenn nicht hier, wo dann?
Mit blauem Himmel, strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen um 20 °C beginnt unser zweiter Tag in Delhi. Das richtige Wetter für weitere Erkundungen und Besichtigungen! Aber nach ein paar Minuten im Freien wollen wir von Museen nichts mehr wissen, sondern einfach nur den schönen Tag genießen. Major Chandrakant, unser Gastgeber in Delhi, kann uns aber trotzdem dazu überreden, uns das Nationalmuseum wenigstens von außen anzusehen. Bei dieser Gelegenheit will er uns Einiges über die hinduistischen Götter erzählen, warum sie wie dargestellt werden und warum sie welche tierischen Diener haben.

Karttikeya, ein hinduistischer Kriegsgott und auch unter vielen anderen Namen bekannt, ist der Sohn Shivas
Schulausflug ins Nationalmuseum

Wir haben es nicht bereut, dieser Aufforderung gefolgt zu sein, lernten wir doch auch etwas über die Edikte des Kaisers Ashoka, der im dritten Jahrhundert vor Christus seiner Zeit weit voraus war. Die Geschichte ist zu lang, um hier erzählt zu werden, aber erwähnenswert ist, dass Ashoka, nachdem er zahlreiche Kriege geführt hatte, einsah, dass Kriege keine Lösung sind, und fortan auf jegliche Aggression verzichtete und sich lieber für Frieden und sozialen Wohlstand seiner Untertanen einsetzte. Er war Anhänger Buddhas.

Nach diesem Ausflug in die Götterwelt besuchen wir den Lodi-Park, eine weitläufige Anlage, in der unter anderem ein Monument zu besichtigen ist, das Sikandar Lodi hier erbaute, um seine Unsterblichkeit zu sichern. Die Besichtigung dieses Tempels animiert zu weiteren kontemplativen Gedanken und Gesprächen und so sitzen wir alsbald auf Mauerresten in der Sonne und plaudern über die großen Religionen, deren Gemeinsamkeiten und wichtigsten Unterschiede im Allgemeinen und die Unendlichkeit des Seins im Besonderen. Unseren Guide, einen sehr liebenswürdigen und belesenen Menschen, haben wir hier nun auch von seiner philosophischen Seite kennengelernt.

Nach dem Mittagessen in einer typisch indischen Kantine gönnen wir uns einen Nachtisch der besonderen Art: Kaffee im Hotel Imperial, dem ersten Hotel am Platze. Wie sagte Major Chandrakant: „Der Kaffee ist zehnmal so teuer wie woanders, aber es lohnt sich durchaus.“ Und das stimmt, sogar in mehrerer Hinsicht. Hier lernt man Luxus pur kennen, die Bediensteten sind unglaublich freundlich (wie halt in allen Luxushotels der Welt), das Interieur bietet in verschiedenen Räumen alle möglichen Stilrichtungen, etwa aus 1001 Nacht, oder ein Café, das einem Zen-Garten nachempfunden ist, oder eine Café-Bar im Kolonialstil. Und hinzu kommt, dass der Kaffee wirklich exzellent ist.
Die letzte Überraschung des Tages ist unser Zug, der unsere wildesten Vorstellungen übertrifft. Es hieß, wir würden höchstens in einem Viererabteil und natürlich in einem reinen Frauenabteil untergebracht (ich persönlich glaube ja, so was gibt es gar nicht). Nun, unser Abteil ist geringfügig größer … es umfasst 20 Liegeplätze und ist – wie kann es auch anders sein – komplett ausgebucht. Wir haben NATÜRLICH auch die oberen Etagenbetten erhalten (wenn schon Abenteuer, dann richtig). Nun bin ich ja durchaus jugendherbergserprobt, aber ich bin keine 18 mehr. Also Etagenbetten sind ein absolutes NO GO. Da wir früh genug im Zug sind, requirieren wir einfach zwei der unteren Betten und hoffen nun auf mitleidige Mitreisende.
Als erstes kommt ein junges Mädchen, das sich relativ schnell zum Tausch überreden lässt. „Mein“ Bett gehört leider einem jungen Mann, der mit Frau und Kind unterwegs ist und so gar nicht bereit ist zu tauschen. Wahrscheinlich habe ich ihn so herzzerreißend angeschaut, dass er sich doch noch anders überlegt. Bis zur Schlafenszeit haben wir ihm angeboten, auf seinem/meinem Bett Platz zu nehmen und schon kurze Zeit später sind wir mit ihm in ein Gespräch vertieft – und es geht, wer hätte das gedacht, wieder um Religion und Ethik. Dieses Thema scheint uns ja mächtig zu beschäftigen!
Bald schon tauschen wir nicht nur Ideen, sondern auch Essbares aus. Die junge Familie hat wirklich köstlich aussehende Trauben dabei, die sie uns freimütig anbietet. Aber getreu dem Motto „Peel it, heat it, or leave it“ haben wir schweren Herzens dankend abgelehnt. Gegen 1:00 h dann kehrt in unserem Abteil langsam Ruhe ein. Wir wünschen uns eine gute Nacht, löschen die Lichter und lassen uns von dem eintönigen Rattern des Zuges in den Schlaf wiegen. In 8 Stunden würden wir Jodhpur erreichen …