Zweiundzwanzig Jahre ist es her, dass die beiden Türme des World Trade Centers dem Terroranschlag zum Opfer fielen. Auch uns in Europa ist der Schock, den wir damals alle erlebt haben, noch in Erinnerung. Aber es ist etwas ganz Anderes, am Ground Zero zu stehen. New York hat diesen Anschlag immer noch nicht verkraftet oder verarbeitet, will es scheinen.

Nein, dies ist kein schöner Ausflug. Dem ausländischen Besucher wird hier erst mal das Ausmaß dieser Katastrophe wirklich bewusst – und ich sehe kaum jemanden, der nach dem Besuch der Ausstellung noch fröhlich gestimmt ist.

Wir haben über die App eine Führung über den Ground Zero gebucht. Treffpunkt ist die St. Paul’s Chapel, eine kleine Kirche gleich neben dem World Trade Center.

Pünktlich geht es los. Unser Guide Michael spricht langsam und deutlich, so dass seine Ausführungen sehr gut zu verstehen sind. Zunächst erklärt er etwas zu der Kapelle aus dem Jahr 1766, die seit 1966 unter Denkmalschutz steht. Die Kapelle hat schon mehrere Katastrophen überstanden, unter anderem einen Großbrand, der sozusagen vor ihrer Tür erlosch. Die beiden Türme des World Trade Centers standen in unmittelbarer Nähe hinter der Kapelle, aber sie wurde durch deren Fall in keiner Weise in Mitleidenschaft gezogen. Das hat ihr den liebevollen Spitznamen „The Little Chapel That Stood“ eingebracht. Vor dem Kircheneingang steht die „Bell of Hope“, die Glocke der Hoffnung, die ein Jahr nach dem Anschlag vom Londoner Bürgermeister und dem Erzbischof von Canterbury den New Yorkern geschenkt wurde. Sie ertönt jedes Jahr am 11. September als Zeichen des Triumphs der Hoffnung über die Tragödie. Direkt unter der Glocke sind Messingplatten eingelassen, die aus den Türmen des World Trade Centers stammen.

Weiter geht es vorbei an der Feuerwehrwache, die als Erste ausgerückt war. Eine Tafel erinnert an alle, die bei diesem Einsatz ums Leben gekommen sind. Besonders tragisch: Der erste Feuerwehrmann starb durch eine Person, die sich durch einen Sprung aus dem Fenster eines Turms retten wollte.

Insgesamt kamen bei Rettungseinsätzen 343 Feuerwehrleute und medizinisches Personal ums Leben. Die Zahl der Menschen, die direkt bei dem Anschlag ums Leben kamen, beläuft sich auf 2.753. Und die Zahl steigt immer noch aufgrund von Spätfolgen. Es dauerte rund 99 Tage, um alle Brände zu löschen. Allein die statistischen Angaben erzeugen auch im Nachhinein noch Gänsehaut bei mir.

Das Memorial ist architektonisch sehr stilvoll angelegt. Was als Erstes auffällt, ist die relative Stille (im Vergleich zu anderen Sehenswürdigkeiten). Für jeden Turm wurde hier ein Wasserbecken angelegt, dessen Maße dem Gebäudegrundriss entsprechen. Die Wasserbecken sind mit Edelstahlplatten eingefasst, auf denen die Namen der Opfer eingraviert sind, die bei dem Anschlag in dem jeweiligen Tower zu Tode gekommen sind. Neben vielen der Namen sind Blumen eingesteckt, ein Zeichen, dass offensichtlich viele Angehörige dieses Memorial nicht nur als Denkmal, sondern wirklich als Erinnerungsstätte sehen.

Nach zwei Stunden endet hier unsere Führung und für die Ausstellung sind wir jetzt auf uns gestellt.

Wenn es draußen schon bedrückend war, wird einem im Museum nochmal das ganze Ausmaß dieser Tragödie vor Augen geführt. Es gibt Audio- und Videoaufnahmen von Angehörigen und Freunden der Opfer, Bilder von Augenzeugen, in deren Gesichtern sich das Entsetzen widerspiegelt. Ich mag gar nicht hingucken, so schrecklich nahe geht es auch mir, die ich ja nicht direkt davon betroffen bin.

Zu den Ausstellungsstücken gehören beispielsweise ein Raum mit Fotos der Opfer, diverse Wandstücke, verbogene Stahlträger. Die Bilder sprechen für sich.

Dieses Stahlteil gehörte zum Nordturm, den das Flugzeug zwischen der 93. und 99. Etage durchbohrte.

Diese Stahlsäule, genannt „Die letzte Säule“, wurde zum Ende der Aufräumarbeiten als Symbol für diesen Anschlag gewählt. Sie wurde am 30. Mai 2002 in einer feierlichen Zeremonie an ihren jetzigen Standort gebracht. In den Wochen davor haben Aufräumhelfer, Ersthelfer, Freiwillige und Angehörige der Opfer Botschaften, Namen, Fotos und andere Erinnerungsstücke angebracht,

Dieser „Renaissance Angel of Peace“ ist Teil des Friedensengel-Projekts der Künstlerin Lin Evola. Sie sammelt Waffen und schmilzt sie ein, um daraus ihre Engel als Sinnbild für Frieden und Leben zu schaffen. Dieser Engel hier stammt aus dem Jahr 1997 und sollte eigentlich vor den Türmen des World Trade Centers stehen.

Nach weiteren zwei Stunden verlassen wir die Ausstellung. Für weitere Unternehmungen sind wir nicht mehr in der Stimmung. Jedem Besucher von New York würde ich diese Besichtigung dringend ans Herz legen.