In den drei Wochen unseres Aufenthalts sind mir viele Dinge aufgefallen, die ich zum Teil merkwürdig, zum Teil erstaunlich fand oder die uns einfach nur zum Lächeln gebracht haben.
Japan ist wohl mit Abstand das sauberste Land der Welt (mal abgesehen von Osaka). Anscheinend halten sich selbst die Millionen von Touristen an japanische Gepflogenheiten, seinen Müll nicht einfach irgendwo zu entsorgen, sondern brav in einer eigenen Mülltüte mit nach Hause zu nehmen. Mülleimer, wie wir sie kennen (und die bei uns manchmal offensichtlich nur Zierde sind), sind rar gesät. In Tokio beispielsweise gibt es überhaupt keine. Trotzdem sind die Straßen sauber. Da hier auch nirgendwo auf der Straße geraucht werden darf, gibt es auch keine achtlos weggeworfenen Kippen. Es ist auch nicht üblich, im Gehen unterwegs zu essen, so dass es auch gar keinen Verpackungsmüll gibt, der achtlos entsorgt wird.
Was ebenfalls auffällt, ist das Fehlen jeglicher Graffiti. Keine Schmierereien an Wänden, nicht einmal in den stark frequentierten Zügen und Bussen, die sowieso unglaublich sauber und gepflegt sind.
Und wenn doch Graffiti, dann sehr künstlerisch.
Öffentlicher Personennahverkehr
Wir haben uns vor unserer Reise den Japan Rail Pass besorgt, was sich als gute Idee herausgestellt hat. So durften wir nicht nur den Shinkansen nutzen, sondern auch alle anderen Züge von Japan Rail – und in Hiroshima und Nara sogar den Sightseeing Bus!
Was uns beim Zugfahren zum Lächeln gebracht hat: Jede Schaffnerin und jeder Schaffner, der ein Abteil betritt, verbeugt sich in der Tür. Wenn sie das Abteil wieder verlassen, drehen sie sich um und verbeugen sich erneut. Sehr nett!
Und die Shinkansen-Züge haben alle sehr schöne Namen: Nozomi (Hoffnung), Hikari (Licht), Kodama (Echo) – um nur einige zu nennen.
Überhaupt ist der Nahverkehr unschlagbar. In Tokio ist es die U-Bahn, in Kyoto der Bus. Und wirklich ALLE sind auf die Sekunde pünktlich. Und die Kosten sind unglaublich niedrig. Fahrten mit dem Bus kosten rund 1,50 Euro – egal wie weit es geht oder wie lange die Fahrt dauert. Und natürlich fahren sie alle paar Minuten. In Kyoto kostet ein Tagesticket für den Bus ca. 7 Euro, das 3-Tage-Ticket in Tokio dagegen nur 8 Euro. Himmlische Zustände! Und hübsch gestaltet sind die Fahrkarten auch noch!
Auf den Bahnhöfen und in den Bussen findet man Verhaltensregeln, weil sich die Eisenbahngesellschaft um die Gesundheit der Fahrgäste kümmert.
Leider gehen in diesem Fall Anspruch und Wirklichkeit auseinander.
In der Rush Hour sind sowohl Züge als auch Busse gerappelt voll. Und hier zeigt sich, dass es mit der so viel gepriesenen Freundlichkeit und Höflichkeit der Japaner vielleicht doch nicht so weit her ist.
Züge beispielsweise haben eigene Frauenabteile. Das interessiert aber nicht nur die Touristen nicht, sondern auch den japanischen Herren ist das völlig egal.
In den Bussen, die wie gesagt auch mal sehr voll sein können, ertönt die Ansage, dass es Sitzplätze für Schwangere, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen gibt. Interessiert aber auch niemanden. Die deutlich gekennzeichneten Sitze werden selbst von Kindern in Beschlag genommen, die sich auch nicht wieder wegbewegen, bis sie aussteigen müssen. Ich habe zweimal erlebt, dass ein junger Mann bzw. eine junge Frau für ältere Menschen aufgestanden sind – und die beiden waren definitiv keine Japaner. Also wenn man ständiges Verbeugen und Entschuldigen für höflich hält, dann sind Japaner höflich.
In den Bussen gibt es Sitze für Rollstuhlfahrer mit entsprechender Beschilderung.
Diese Sitze lassen sich umklappen, damit ein Rollstuhl in die Lücke passt. An einem Tag wartet tatsächlich eine Frau im Rollstuhl darauf, mitgenommen zu werden. Der Busfahrer steigt aus, holt eine Rampe, alle Leute im Bus machen Platz – nur der ältere Griesgram, der einen der Rollstuhlsitze belegt hatte, weigert sich aufzustehen. Erst nach gutem freundlichem Zureden des Busfahrers erhebt er sich und setzt sich – nicht ohne lautes Gezeter – einen Sitz nach vorne, drischt auf den Sitz ein und randaliert. Der Busfahrer bittet ihn erneut, Platz zu machen, was dieser schreckliche Mensch aber wütend schreiend ablehnt. Das Ende vom Lied? Der Busfahrer entschuldigt sich bei der Rollstuhlfahrerin, dass er sie nicht mitnehmen kann. Und wirklich keiner der anwesenden Japaner ruft den Mann zur Raison. Alle schauen nur betroffen auf den Boden. Lässt sich dieses Verhalten noch mit der ach so gepriesenen Hilfsbereitschaft der Japaner vereinbaren? Zum Glück habe ich ein paar Tage später eine ähnliche Situation erlebt, wo beide Japaner ihre Sitze freiwillig geräumt haben.
Ich will gar nicht alle Japaner über einen Kamm scheren. Mir sind hier sehr viele freundliche, hilfsbereite Japanerinnen (!) begegnet, die mir auf für mich schwierigen Wegen ihre Hilfe angeboten haben, die einfach freundlich gegrüßt haben, wenn wir uns begegnet sind, oder völlig grundlos ein kleines nettes Schwätzchen mit mir hielten. Nur wenn sie Busse oder Züge betreten, scheint eine unheilvolle Verwandlung zu geschehen.
Mitarbeiter in den Hotels, Restaurants, Cafés usw. waren wirklich alle sehr freundlich und höflich und meistens auch hilfsbereit. Da gibt es echt nichts zu meckern.
Was Japaner aber definitiv sind, ist diszipliniert. Schlange stehen scheint hier normal zu sein, egal wo. Auf dem Bahnsteig, vor der Bushaltestelle, selbst vor der Rolltreppe. Niemand, der sich vordrängelt, weil er es vielleicht eilig hat. Auf der Rolltreppe steht man links, damit Leute rechts vorbeigehen können (außer in Osaka, da stehen alle rechts). An manchen Bushaltestellen gibt es lange Warteschlangen und es ist klar, dass der Bus nicht alle wird mitnehmen können. Trotzdem steht man weiterhin ruhig in der Schlange.
Sprache
Wer des Japanischen nicht mächtig ist (so wie wir), braucht ein gutes Übersetzungsprogramm. Englisch scheint in Japan nicht wirklich Weltsprache zu sein. Auf den Bahnhöfen hat man Glück, das Personal spricht gut Englisch. In den Restaurants verstehen die Angestellten die Sprache wohl, wollen sie aber nicht sprechen. Das geht dann so: Der Gast spricht englisch, die Bedienung antwortet auf japanisch. Irgendwie versteht man sich. Problematisch ist eigentlich nur die Speisekarte, die es häufig nur auf japanisch gibt, wobei die angebotenen Speisen netterweise fotografiert sind oder aus Kunststoff präsentiert werden. Zwar nicht so, wie sie dann real aussehen, aber man hat immerhin eine Ahnung, wie viele Zutaten auf dem Teller sind. Hilft aber auch nicht wirklich, weil der ungeübte Tourist diese Zutaten zum Teil nicht erkennt.
Und im Land der Wagyu- und Kobe-Rinder …
… haben es Vegetarier schwer!
Restaurants warten netterweise mit einer sinnvollen Einrichtung auf. Man kennt das Dilemma: Wohin mit der Handtasche? Manchmal sind Stuhllehnen als Aufhänger völlig ungeeignet. Nicht jeder hat seinen eigenen Taschenhaken dabei. In Japan hat man dafür eine richtig gute Lösung: An jedem Tisch steht ein Behältnis, in das man seine Taschen ablegt. Das kann ein Korb sein, eine Holzkiste oder eine Blechwanne.
Das stille Örtchen
Japanische Toiletten sind ein Wunderwerk der Technik. Sobald man ihre Grundfunktion begriffen hat, kann man sich an die Feinheiten herantasten. Wie auf dem Foto zu sehen, sind die Piktogramme relativ selbsterklärend.
Und damit auch wirklich nichts schiefgeht, gibt es weitere Erläuterungen für die korrekte Benutzung.
Übrigens sind auch öffentliche Toiletten so ausgestattet und man kann sie bedenkenlos benutzen. Die sind genauso sauber wie im Hotel oder Restaurant (abgesehen von McDonald in Asakusa.) Trotzdem gibt es Unterschiede: Bei manchen Toiletten klappt der Deckel selbstständig auf und wieder zu. Manche Toiletten spülen auch selbstständig. Toilettenbrillen sind beheizt! Bei 35 °C teilweise gar nicht mal so angenehm.
Toilettenpapier hat die Qualität von Seidenpapier.
Wer also nicht auf den Komfort eines guten Papiers verzichten will, bringt sich welches von zu Hause mit.
Was mir auch gut gefallen hat: Manche Toiletten haben einen Hochstuhl für Kinder. Auf die Idee kommt man bei uns eher weniger.
Friedhöfe
Gemessen an den vielen Hochhäusern und wie nah sie beieinander stehen, sieht doch alles sehr beengt aus. Das ist auf den Friedhöfen nicht anders. Sie sind, wie die Hochhäuser, mal größer, mal kleiner. Es hat den Anschein, als würde man sich ein freies Fleckchen suchen und das zum Friedhof erklären.
Gullydeckel
Normalerweise sind Gullydeckel ja nicht besonders schön gestaltet. Anders in Japan. Zumindest in einigen Ortschaften.
Asakusa
Nara
Kinosaki
Osaka
Japaner mögen’s süß
Es ist schier unglaublich, was es alles an Süßkram in Japan gibt. Pancakes mit Ahornsirup und süßem Obst sind zum Frühstück normal. Oder Eier Benedict (die absolute Lieblingsspeise der Japaner zum Frühstück. Die gibt es in allen möglichen Variationen in wirklich jedem Café). Hier eine kleine Auswahl an Leckereien, die jeden Zahnarzt in Ohnmacht fallen lassen.
Lieber Französisch statt Englisch?
Am Silbernen Pavillon in Kyoto ist mir schon aufgefallen, dass dort alle Erklärungen auf Französisch waren. Hat mich ein bisschen gewundert. In Yokohama trifft man häufiger auf Französisch, vor allem auch in den zahlreichen französischen Bistros.
Dem Glücklichen schlägt keine Stunde
Kurioses Taxifahren in Kyoto
Lustigerweise hält am Taxistand für Ausländer kein Taxi. Man kann jetzt überlegen, warum nicht. Will man auf diese Weise die Touris mürbe machen oder versteht doch kein Taxifahrer simple English?
Do’s and Don’ts
Nackte Füße in Sandalen galten bisher in Japan als ziemlich „unanständig“ (obwohl man zumindest in den Großstädten mittlerweile Japanerinnen sieht, die ihre Sandalen ohne Strümpfe tragen). Die meisten aber, ob Damen oder Herren, zeigen bestrumpfte Füße. Selbst in Flipflops geht die modebewusste Japanerin (der modebewusste Japaner) in Socken!
Dass man in Japan nicht auf der Straße isst, schrieb ich bereits. Auf dem Nishiki-Markt in Kyoto weisen auch überall Schilder darauf hin und es gibt entsprechende Durchsagen. Die meisten Leute halten sich auch daran.
Auch das Naseputzen in der Öffentlichkeit ist verpönt. Dafür darf man seine Nase hochziehen – und das passiert auch manchmal sehr geräuschvoll. Nießen, ohne die Hand vor den Mund zu nehmen, scheint auch zum guten Ton zu gehören. Gegen lautes Rülpsen ist ebenfalls nichts einzuwenden. Und zum Gähnen reißt man einfach mal den Mund auf und gewährt einen tiefen Einblick auf den Zahnstatus.
Mit dem Handy auf der Straße oder schlimmer noch im Bus oder Zug zu telefonieren: ein absolutes No Go! Man unterhält sich auch nicht im ÖPNV, also höchstens flüsternd. Ansagen in Bus und Zug weisen darauf hin, dass man sein Mobilfunkgerät bitte ausstellen und Rücksicht auf seine Nachbarn nehmen soll. Aber wie es scheint, ist das Handy an einer Hand des Japaners festgewachsen. Mir sind selten Menschen entgegengekommen, die KEIN Handy in der Hand hatten (die waren entweder sehr alt oder Touristen). Und wenn es nicht das Handy ist, dann ist es ein Handventilator, den sich die moderne Japanerin, der moderne Japaner vors Gesicht hält. Touristinnen dagegen erkennt man am Fächer.
Und falls man sich auf der Fahrt schon mal sportlich betätigen möchte … es hängen genug Ringe an der Decke
7-Eleven und Verkaufsautomaten
Wenn ich irgendwas nach Deutschland mitnehmen könnte, dann wären es diese beiden Dinge. Die Läden von 7-Eleven, ähnlich wie unsere To-Go-Ecken in Tankstellen, gibt es hier an jeder Straßenecke, mal kleiner, mal größer, und sie haben rund um die Uhr geöffnet. Das Sortiment ist unschlagbar! Es gibt alles, was man essenstechnisch und getränkemäßig zum Überleben braucht – und das zu moderaten Preisen. Man kann sich hier wirklich den ganzen Tag verpflegen. Es gibt frisches Gemüse als Sticks mit Dips, Obst stückweise oder sogar in mundgerechte Stückchen zerteilt, frische Sandwiches, Salate, auch ganze Mahlzeiten, die man in den aufgestellten Mikrowellen erwärmen kann, Snacks, Kuchen usw. Kaffee- und Teemaschinen dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Und was keinesfalls zu vernachlässigen ist: In jedem 7-Eleven gibt es einen funktionierenden Geldautomaten!
Verkaufsautomaten findet man hier an allen Ecken, an den Schreinen, auf den Bahnsteigen, selbst in oder zumindest vor den Hotels. Sie liefern eiskalte Getränke in vielen Variationen. Was mir besonders gefallen hat: Neben stillem Wasser gibt es auch ungesüßten Tee! Und die Getränke kosten nicht mehr als im Supermarkt. Kalte Getränke auf einen Ausflug mitzunehmen, ist sowieso kontraproduktiv. Nach spätestens 30 Minuten hat das Wasser genügend Temperatur, um Tee damit zu kochen – jedenfalls jetzt im September.
Zum Schluss noch eine interessante – und nachahmenswerte – Vorrichtung in den Kaufhäusern.
Ein Regencape für nasse Schirme! So bleiben die Läden trocken und sauber.
Was würde ich bei meiner nächsten Japan-Reise anders machen?
Japan hat an Sehenswürdigkeiten unglaublich viel zu bieten. Ich habe den Fehler gemacht, zu viel in diese drei Wochen zu packen – so nach dem Motto: Wer weiß, ob ich hier noch mal hinkomme. Ich würde mir jetzt im Nachhinein für die einzelnen Orte mehr Zeit nehmen, weniger die bekannten und beworbenen Sehenswürdigkeiten besuchen, sondern vielleicht eher unbekannte Regionen erkunden. Außerhalb der Ballungsgebiete ist auch Autofahren kein Problem, da der Verkehr nicht besonders dicht ist.
Wir haben wirklich viel gesehen und erlebt – „Japan“ haben wir eher nicht kennengelernt.