Gegen 7:00 Uhr erwacht unser kleines Abteil langsam wieder zum Leben. Einige Kinder quengeln, aber im Großen und Ganzen herrscht angespannte Ruhe, als müssten sich alle für einen anstrengenden Tag rüsten. Früher als erwartet erreichen wir unsere Endstation für die nächsten Tage: Jodhpur, mit rund 1 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Rajasthan.

Der erste Eindruck: Die Straßen sind wesentlich besser als in Delhi, die Tuktuks noch bunter und verzierter, auf den Straßen flanieren noch mehr Kühe und herrenlose Hunde. Jodhpur ist bunter, quirliger, irgendwie „indischer“.

 

Wir werden von Maharaj Chandrashekhar Singh of Rathor abgeholt und zu seinem bescheidenen Haus gebracht, einem weitläufigen Anwesen mit mehreren Innenhöfen, auf denen man in der Sonne Tee oder Kaffee genießen kann. Und Sonne haben wir wirklich reichlich: Gegen Mittag erreichen die Temperaturen 32 °C.
Unsere Gastgeber Chandrashekhar und seine liebevolle Gattin Rani Bavnar

Nach einem ausgedehnten Frühstück geht es auf unsere erste Entdeckungstour: das Mehrangarh-Fort. „Beeindruckend“ beschreibt dieses Bauwerk nur unzulänglich. „Gigantisch“ mag in etwa das Ausmaß dieser Anlage schildern, gibt aber keinen Aufschluss über die teilweise filigrane Gestaltung der Räume, die Wandmalereien, die Intarsien usw. „(Ehr-)Furchteinflößend“ wäre angesichts der Tonnen von Gestein, die sich hier auftürmen, auch passend. Mir fehlen die Worte! Es ist auch gar nicht möglich, einen kurzen geschichtlichen Abriss über diese Festung zu geben, dazu ist sie zu alt und die Geschichte zu faszinierend. Bezeichnend aber ist, dass sie niemals von Feinden des Rajputen-Clans eingenommen werden konnte. Die ganze Anlage ist so überwältigend, dass Fotos unsere Begeisterung und Ehrfurcht gar nicht wiedergeben können.

Und weil hier alles so geheimnisvoll ist, machen wir etwas, das wir immer schon mal wollten: Wir lassen uns aus der Hand lesen! Unser fortune teller ist ein netter, sehr alter Herr, der uns zwar eigentlich nichts gesagt hat, was wir nicht schon wussten, aber es war sehr erstaunlich, was er alles wusste!

Vom Fort aus hat man einen fantastischen Blick über die Stadt. Vor allem die blauen Häuser stechen in ihrer leuchtenden Pracht hervor. Und wir haben etwas gelernt: Die blaue Farbe ist nicht nur schön, sondern sie dient gleichzeitig als Schutz vor Hitze und Moskitos!

Der zweite Höhepunkt des Tages ist am Nachmittag die Besichtigung des Jaswant Thada, Grabmal und Krematorium der Maharadschas von Jodhpur. Der wunderschöne Bau besteht vollständig aus weißem Marmor. Das Grabmal selbst ist ein großer Raum, dessen Wände mit den Bildern der verstorbenen Herrscher verziert sind. Von hier aus hat man einen guten Blick auf die alte Stadtmauer von Jodhpur, die an manchen Stellen bis zu 12 Meter hoch ist. Und man hat einen ebenso freien Blick auf das Fort, das regelrecht drohend über der Stadt thront und so nahe scheint und doch etliche Kilometer entfernt ist.

Den Abend lassen wir mit einem gemütlichen Abendessen ausklingen, das wir zusammen mit einem weiteren Gast, einer reizenden älteren Dame aus England einnehmen.

Als nächstes steht eine Wüstensafari auf dem Programm. Wir sind schon sehr gespannt!