Mein Seetagebuch, Teil 3

Tag 7

Frühstück heute mal um 6:30 Uhr. Pünktlich bin ich am Treffpunkt und schon geht es los. Unsere deutsche Reiseleiterin unterhält uns bis zum Eintreffen in Stonehenge mit allerlei Informationen. Wir fahren durch Salisbury und den New Forest Nationalpark, der sich über Hampshire and Wiltshire erstreckt und für seine Ponys berühmt ist.

Leider lassen sich die Pferdchen bei diesem Wetter nicht so gerne blicken.

Am Denkmal angekommen, sind wir schätzungsweise Bus Nr. 70. Wir haben zwei Stunden Zeit, uns die Steine auf dem Hügel und die Ausstellung am Busbahnhof anzuschauen. Der Shuttle-Bus bis zum Denkmal braucht ca. 10 Minuten, die Wartezeit beträgt gut 20 Minuten. Oben läuft man dann mit rund 200 Leuten in polyglottem Stimmengewirr um das Megalith-Bauwerk herum. Auf dem Mobiltelefon kann man sich eine App zur Stonehenge-Tour herunterladen. Die Informationen sind sehr interessant und – was so ganz anders als bei üblichen digitalen Guides ist – die App funktioniert sogar noch in Deutschland.

Und natürlich regnet es, wie es sich für England gehört. Es ist kalt und windig und ungemütlich und alle Besucher wollen so schnell wie möglich wieder zurück. Wartezeit für den Shuttle-Bus: 30 Minuten. Jetzt noch schnell durch die Ausstellung und dann geht es auch schon wieder zurück zum Schiff.

Dieser Sarsenstein, ein Sandsteinblock, wie er auf der Hochebene von Salisbury häufig vorkommt, ist ein Beispiel für die Steine, aus denen Stonehenge errichtet wurde. Für einen Stein dieses Kalibers würden 100 starke Männer benötigt, um ihn fortzubewegen. Wenn man nun bedenkt, wie alt Stonehenge ist (man geht davon aus, dass das Bauwerk um 3000 bis 2200 v. Chr. entstanden ist), dann kommt man schon ins Grübeln.

Prähistorische Hütten

Dieser Ausflug hat sich definitiv nicht gelohnt. Zumindest ich habe mir auch keine Vorstellung davon gemacht, dass es hier zu so einer Völkerwanderung kommt.

Wegen der Neuankömmlinge auf dem Schiff, die bis Hamburg bzw. auch wieder zurück nach Southampton fahren, gibt es keinen Nachmittagstee, dabei wäre er nach diesem „Erlebnis“ sehr tröstlich gewesen.

Abends besuche ich eine Show: die Queens of Ryhthm, drei Frauen, die uns eine Stunde lang mit Soulmusik aus den 1960er Jahren unterhalten. Die drei Mädels haben das Theater ganz schön gerockt. Hat mir sehr gut gefallen!

Das Royal Theatre, noch relativ leer.

Tag 8

Das vorerst letzte Frühstück verbringe ich mit einer netten Frau aus Hamburg, die diese Fahrt von Southampton nach Hamburg schon mehrmals gemacht hat und sich das zwischendurch mal gönnt. Vielleicht treffen wir uns beim Kaffeetrinken.

Aber jetzt sollte ich so langsam mal meine Koffer packen. Sollte … meine Motivation geht gegen Null. Ich kenne meine Ausschiffungszeit immer noch nicht, kann also auch meinen Zug noch nicht buchen.

Heute findet dann auch der letzte 5 o’clock tea statt und den lasse ich mir keinesfalls entgehen. Vielleicht sollte ich hier noch mal kurz was zu der Zeremonie sagen. Punkt 15:30 Uhr öffnen sich zwei Türen und heraus strömen 20 Kellner, die von den Anwesenden mit einem frenetischen Klatschmarsch begrüßt werden. Nach dem Defilee verteilen sie sich auf ihre Bereiche und verwöhnen die aufgeregt Wartenden mit den bekannten Köstlichkeiten.

Der Queen’s Room ist brechend voll! Ich entdecke einen Tisch, an dem ein sehr junger Mann (vielleicht Mitte 20) sitzt. Ich frage, ob ich mich zu ihm setzen darf, und stelle schon bei seiner Antwort fest, dass er Deutscher ist. Wir plaudern und er erzählt mir, dass er aus Leipzig kommt und gerade sein Jura-Examen hinter sich gebracht hat. Den Englandurlaub und jetzt die Heimfahrt mit der Queen hat er sich zur Belohnung geschenkt.

Ein Kellner kommt und fragt, ob sich noch Leute zu uns setzen dürften (es gibt immer Vierertische). Ob das auch Deutsche sein dürften? Wir erklären, dass wir auch Deutsche akzeptieren. Seit Southampton ist das Schiff sowieso irgendwie in deutscher Hand. Zu uns gesellt sich ein ebenfalls sehr junges Pärchen, sie ist Versicherungsmaklerin, er arbeitet bei einem Start-up im Software-Bereich. Alle drei freuen sich auf den heutigen Gala-Abend. Die junge Frau meint: „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, sich so schick zu machen.“ Ich hoffe, die drei haben einen schönen Abend.

Jetzt wird es aber wirklich Zeit, dass ich meine Koffer packe. Und ich buche mein Zugticket, egal, wann ich hier raus darf! Wenig später erfahre ich, dass meine Ausschiffungszeit 9:40 Uhr ist. Zu spät für den Shuttle zum Bahnhof. Ich gehe ins Büro und frage, ob ich früher von Bord darf, um noch den ersten Shuttle-Bus zu erreichen, und erfahre, dass alle Busse ausgebucht sind. Ich muss also ein Taxi nehmen. Trotzdem möchte ich früher von Bord gehen und das geht dann nur um 8:00 Uhr. Na gut, das ist dann eben so.

Beim letzten Abendessen stehen meine beiden treuen Seelen Marvin und Vivien schon bereit, um mich zu meinem Tisch zu geleiten (sie haben mir tatsächlich einen Tisch freigehalten!). Zwischendurch kommen sie immer wieder zu mir und wir quatschen ein bisschen. Vivien hat einen 9-Monatsvertrag, der noch bis Anfang nächsten Jahres läuft, und sie hofft natürlich auf Verlängerung. Ihr Vater arbeitet in Dubai und hatte gehofft, ihr dort eine Arbeit zu beschaffen, aber das hat leider nicht geklappt. Marvin hat einen längerfristigen Vertrag, muss aber ebenfalls 9 Monate arbeiten, ehe er einen Monat Urlaub bekommt, den er dann bei seiner Familie verbringt. Ich hatte den Eindruck, dass beide nicht wirklich glücklich darüber waren, so lange von ihren Familien getrennt zu sein, andererseits aber auch froh waren, hier auf der Queen arbeiten zu dürfen.

Zum Abschied bekomme ich tatsächlich von beiden eine Umarmung und das habe ich vorher bei keinem anderen Gast gesehen. Ich bin ein bisschen gerührt.  Gegen das Personal kann man ja wirklich nichts sagen, alle sind höflich und freundlich, aber diese beiden habe ich echt ins Herz geschlossen.

Und nun sind die 9 Tage auf See so gut wie überstanden. Es war entspanntes Reisen mit vollem Verwöhnprogramm, das muss ich wirklich anerkennen. Wir wurden umsorgt vom Feinsten. Das Unterhaltungsprogramm rund um die Uhr war ebenfalls qualitativ hochwertig. Also wer auf exquisites Essen, gehobene Unterhaltung und luxuriöses Ambiente Wert legt, ist hier absolut am richtigen Platz. Ich war es definitiv nicht. Ich habe die 9 Tage auch sehr genossen, aber ich habe mich auch viel in meine Kabine zurückgezogen, um dem ganzen Trubel und Gewusel zu entgehen.

Tag 9

Mein Wecker klingelt um 6:00 Uhr. Um 6:30 Uhr bin ich bereit für’s letzte Frühstück, mein Handgepäck ist gepackt und ich will gerade los, da kommt die Durchsage des Kapitäns, dass wir eine Verspätung von voraussichtlich sieben bis acht Stunden haben werden. Was ist passiert? In der Nacht gab es einen starken Sturm, weshalb der Hamburger Hafen gesperrt wurde. Daher konnte unser Lotse nicht an Bord und wir stehen jetzt an der Elbe-Mündung und warten auf ihn. Bis zum Steinwerder Damm benötigt die Queen ungefähr sieben Stunden, aber durch den Rückstau kann es noch länger dauern. Na prima! Immerhin dürfen wir bis 11:00 Uhr in unserer Kabine bleiben.

Ich gehe also erst mal gemütlich frühstücken. Die Decks sind wegen des Sturms gesperrt, also gibt es auch keinen Spaziergang. Irgendwann kommt wieder eine Durchsage: Unsere Fahrt verzögert sich weiter, wir dürfen bis 12:00 Uhr in der Kabine bleiben. Dann muss unser Handgepäck irgendwo gelagert werden. Mittlerweile habe ich meinen Ausschiffungstermin bekommen: 16:40 Uhr. No way! Ich möchte heute noch zu Hause ankommen. Also wieder zur Rezeption und um frühe Ausschiffung gebeten. Mein Zug geht um 16:10 Uhr. Mir wird bestätigt, dass ich sofort nach dem Anlegen aussteigen kann. Nein, die Shuttle-Busse sind alle belegt. Taxen stehen am Kai.

Ich frage Rudi, ob ich mein Handgepäck in der Kabine stehen lassen kann, bis ich vom Essen wieder da bin. Eigentlich ist das nicht erlaubt, aber natürlich macht er für mich eine Ausnahme.

Mein Rudi

Das King’s Court ist brechend voll, war ja zu erwarten. Mittlerweile sind wir bis in bewohnte Gegenden vorgedrungen, das Wetter hat sich beruhigt und nach dem Essen stehen viele Mitreisende draußen an Deck und genießen die Sonne.

Ich bekomme eine WhatsApp. Zwei Freunde, die am Nachmittag aufs Schiff gehen und ihre Reise mit der Queen nach New York antreten, schreiben, dass sie das Schiff voll im Blick haben. Sie wollen wissen, wo ich gerade bin, unter welchem Rettungsboot ist stehe, und geben mir ihren Standort durch.

Noch dauert es eine Weile, aber dann passiert das Schiff eine große Terrasse, auf der viele Menschen stehen, die die Ankunft des Luxusliners beobachten. Und tatsächlich sehe ich zwei Menschen, die wild mit den Armen fuchteln. Ich fuchtele zurück. Die beiden freuen sich total auf diese Reise und ich glaube auch, dass sie viel mehr Spaß an diesem Leben an Bord haben werden als ich.

Gegen 14:30 Uhr mache ich mich auf den Weg in Richtung Ausgang. Das Café ist noch relativ leer und ich bestelle mir einen Kaffee. Es wird zunehmend voller. Alle paar Minuten kommt die Durchsage, dass alle Passagiere bitte die Gangway freihalten sollen und erst zu ihrem persönlichen Ausschiffungstermin erscheinen mögen.

Meine freundliche „Bardame“ Cheeney

Um kurz nach 15:00 Uhr ist es endlich soweit. Die Fast-Track-Lane ist offen und ca. 50 Personen dürfen schnell das Schiff verlassen. Draußen angekommen, suche ich nach einem Taxi. Ich finde keines. Dafür eine lange Schlange von ungefähr 30 Leuten, die ebenfalls auf ein Taxi warten. Ich laufe die Reihe entlang und frage, wer zum Hauptbahnhof fährt und mich mitnehmen könnte. ALLE haben ein anderes Ziel. Zum Glück schließen sich aber mehrere Menschen zusammen, so dass ich schon das 5. Taxi bekomme. Es ist 15:40 Uhr. Mit mir fährt ein amerikanisches Pärchen, das zu einer Adresse in der Nähe des Hauptbahnhofs möchte. Ich frage den indischen Fahrer, wie lange wir wohl brauchen. Er meint, ohne Stau rund 20 Minuten. Ich sitze auf heißen Kohlen. Punkt 16:00 Uhr sind wir am Bahnhof. Ich haste zum Bahnsteig – es ist 16:08 Uhr – und danke der Deutschen Bahn innerlich für ihre Unpünktlichkeit. Mein Zug hat 10 Minuten Verspätung und ich kann erst mal Luft holen. Um 19 Uhr bin ich in Essen und damit endet meine abenteuerliche Reise endgültig.

Bis zum nächsten Mal! Wer weiß, was mich dann erwartet.