Berlin von unten – Dunkle Welten

Die Gesellschaft zur Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauten, Berliner Unterwelten e.V., wurde 1997 als ein Zusammenschluss von Menschen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen gegründet. Akademiker aller Fachrichtungen, Studierende, aber auch Handwerker und viele andere fanden sich hier zusammen, um den „Berliner Untergrund“ zu erforschen. In liebevoller Kleinarbeit wurden hier alte, unterirdische Anlagen so instand gesetzt, dass sie nun in Führungen dem interessierten Publikum präsentiert werden können.

Ich habe mich für die Tour 1 entschieden: Dunkle Welten. Los geht es am U-Bahnhof Gesundbrunnen. Von außen ist erst mal nichts zu erkennen – und auch die Ticketverkaufsstelle ist nicht so einfach zu finden. Durchfragen ist angesagt. Eine relativ große Gruppe wartet um 16:00 Uhr am Eingang des U-Bahnhofs. Pünktlich erscheinen zwei Guides und die Gruppe wird aufgeteilt. Bevor es dann wirklich los geht, werden wir noch ermahnt, nicht den Anschluss an die Gruppe zu verlieren und keine Erkundungen auf eigene Faust vorzunehmen. Die unterirdischen Anlagen sind noch lange nicht alle gesichtet und hergerichtet und es ist leicht möglich, sich dort unten zu verlaufen. Handys funktionieren natürlich nicht dort unten.

Leider dürfen keine Fotos gemacht werden (außer am Eingang), denn zum Teil werden hier Privatsammlungen gezeigt, deren Eigentümer ihre Schätze nicht publiziert sehen wollen. Außerdem habe man schlechte Erfahrungen gemacht. Es seien Fotos mit Hakenkreuzen verfälscht worden – und darüber ist der Verein natürlich nicht glücklich.

In rund 90 Minuten nun werden wir durch die unterirdischen Luftschutzanlagen geschleust, es geht treppauf, treppab und schon nach kurzer Zeit wissen wir gar nicht mehr, wo wir eigentlich sind. Unsere geschichtskundige Führerin erklärt uns die verschiedenen Räume, durch die wir streifen, und überhäuft uns mit interessanten Informationen aus Kriegszeiten, als diese U-Bahnanlagen kurzerhand zu Luftschutzanlagen erklärt wurden, in denen tausende von Menschen Schutz vor den Fliegerangriffen suchten. Wir bekommen einen kleinen Eindruck, wie es wohl gewesen sein muss, mit hundert Leuten in einem Raum zu sitzen, der unserer kleinen Gruppe gerade mal genug Platz bietet. Wir erfahren, wie der Sauerstoffgehalt der Luft mit einfachen Mitteln gemessen wurde – und erahnen, welche Qualen die dort eingepferchten Menschen durchgemacht haben müssen, wenn die Luft knapp wurde und es nur noch die Alternative gab, sich draußen dem Bombenhagel zu stellen.

 

                                                                                                                                             © Berliner Unterwelten e.V. / Holger Happel

Der Sanitätsraum, die eingerichtete Leitstelle, die Versorgungszentrale … alles wurde in akribischer Kleinarbeit von den Vereinsmitgliedern wiederhergestellt. Einige Räume beherbergen Sammlerstücke der damaligen Zeit (Kartenmaterial, Küchengeräte, Spiele – alles, was das Leben der Kriegsgeneration ausmachte). Es gibt diverse Fundstücke … Helme, Stiefel, Waffen und dergleichen. In einer Vitrine befinden sich Haushaltsgegenstände, die aus den Resten von Kriegsmaterial hergestellt wurden, z. B. eignet sich ein Stahlhelm hervorragend zum Kochen oder mit Löchern versehen als Sieb. Not macht erfinderisch.

Nach eineinhalb Stunden dann kommen wir wieder ans Tageslicht, aber ein leicht mulmiges Gefühl bleibt, gepaart mit der Erleichterung, dass wir diese Zeit nicht erleben mussten.

Unserer Führerin gebührt ein echter Dank. Sie hat es verstanden, uns in dieser relativ kurzen Zeit einen umfassenden Eindruck von der Anlage und auch der Arbeit des Vereins zu geben, der übrigens nicht subventioniert wird, sondern sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Allein aus diesem Grund sollte sich jeder Berlin-Reisende die Zeit nehmen, hier eine Tour zu buchen.

Es gibt insgesamt sieben verschiedene Touren unterschiedlicher Dauer (90 bis 120 Minuten) und Schwierigkeit. Man sollte sich vorher unbedingt erkundigen, ob bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen sind (die Tour 2 „Vom Flakturm zum Trümmerberg“ beispielsweise ist für Personen selbst mit leichter Gehbehinderung nur bedingt geeignet). Außerdem sollte auch im Sommer an warme Kleidung gedacht werden, denn unterirdisch kann es schon recht kühl werden, und mehr als 10 °C sind nicht zu erwarten. Die Eintrittspreise variieren je nach Tour zwischen 12,00 € und 18,00 €.

Ich hoffe, ihr seid auf diesen Museumsbesuch der etwas anderen Art neugierig geworden und besucht diese Attraktion, die euren Berlin-Aufenthalt zu einem denkwürdigen Erlebnis macht.

Für seine Verdienste im Denkmalschutz erhielt der Verein übrigens im November 2006 die „Silberne Halbkugel“, die höchste Auszeichnung in diesem Bereich, die in der Bundesrepublik Deutschland vergeben wird.

Weitere Informationen, insbesondere zu den einzelnen Touren, den Öffnungs- und Führungszeiten gibt es hier:

https://berliner-unterwelten.de

 

Erlebt im Mai 2015