Nicht allzu weit von Kyoto entfernt liegt Nara, bis 784 die Hauptstadt Japans. Hier befinden sich – wie nicht anders zu erwarten – neun wichtige Tempel und Schreine. Aber man kann wirklich nicht alles sehen, deswegen beschränken wir uns auf zwei Sehenswürdigkeiten: den Nara-Park mit den Sikahirschen und den Todai-ji-Tempel.

Nach einer knapp einstündigen Zugfahrt werden wir schon am Bahnhof von einigen Hirschen empfangen, die sich gerne streicheln lassen und tatsächlich sehr zahm sind.

Alle Hirsche laufen in Nara frei herum – es sei denn, sie sind krank und benötigen Pflege. Dann müssen sie in ein Gehege.

Aber auch hinter Gittern freuen sie sich über Streicheleinheiten.

Wir wissen schon, dass man im Park Kekse kaufen kann, um die Hirsche zu füttern – und wir freuen uns darauf. Allerdings währt die Freude nicht sehr lang. Die Tiere – es handelt sich um fast 1000 heilige Hirsche, die als Helfer der Götter verehrt werden – sind zum Teil alles andere als friedlich und eher scheinheilig. Sobald sie Futter wittern, bedrängen sie in Scharen die mit Keksen bestückten Touristen und zögern auch nicht, durch Zwicken in diverse Körperteile oder Rammen in den Rücken auf sich aufmerksam zu machen. Menschen, die nicht wirklich standfest sind (so wie ich), empfehle ich, einen Sitzplatz zu suchen und dann erst die Tiere zu füttern. Sonst liegt man schneller als auf dem Boden als gedacht! 

Nach diesem eindrucksvollen und schmerzhaften Erlebnis machen wir uns auf den Weg zum Todai-ji-Tempel, zu Deutsch: Großer Tempel im Osten.

Der Weg führt natürlich zunächst durch das obligatorische rote Torii …

… vorbei an vielen Nebengebäuden und Statuen …

… bis wir endlich vor dem Heiligtum stehen. Es ist in der Tat das größte Holzbauwerk der Welt und Heimat von Daibutsu Vairocana, auch Großer Buddha genannt.

Das Bauwerk ist wirklich so groß, dass es nicht vollständig aufs Foto passt.

Die Statue des Großen Buddha ist 15 m hoch und wiegt 452 t (ich habe nachgemessen und gewogen). Um die Maße etwas plastischer darzustellen: Allein ein Auge ist 1 m lang, das Ohr 2,5 m und ein Lotusblatt hat die Höhe von 3 m.

Tempel und Statue sind wirklich beeindruckend – und zwar nicht nur der Daibutsu Vairocana, sondern auch seine Kolleginnen und Kollegen, die ihn flankieren und zum Teil wirklich sehr grimmig sind.

Ob das möglicherweise an den Besuchern liegt, die den Tempel für einen Festplatz halten und in der Halle vor den Statuen Party machten (unter anderem mehrere japanische Schulklassen auf Schulausflug)? Ehrlich gesagt, habe ich für dieses Verhalten kein Verständnis. Egal, was man von Religion halten mag: Stätten, die anderen Menschen heilig sind, sollten mit Respekt behandelt werden. Aber das ist nur meine unmaßgebliche Meinung. Das hier war noch mehr Jahrmarkt als an anderen Schreinen. Interessanterweise sind Schreien, Lärmen und Rumrennen erlaubt, Hinsetzen jedoch nicht. Dann steht sofort die Aufsicht da und fordert einen auf, wieder aufzustehen (und ich habe mich nicht auf Budhhas Schoß gesetzt, das muss mal angemerkt werden).

Die gesamte Tempelanlage ist sehr gepflegt, obwohl die Hirsche auch hier überall anzutreffen sind (und so Einiges hinterlassen), aber tatsächlich wesentlich weniger aggressiv als im Park sind, als wüssten sie, dass sie sich hier angesichts des großen Budhhas zu benehmen haben.

Rehe der friedlichen Art

Vor der Rückfahrt machen wir noch Rast in einer kleinen Imbissbude, aber das Essen sieht nicht wirklich appetitlich aus, und so trinken wir nur einen Tee. Dabei beobachten wir aber einige japanische Jugendliche, die sich ein Matcha-Eis gönnen. Das ist wirklich gelungen! Und die Mädels sind nur allzu bereit, sich ablichten zu lassen.

Alles in allem war auch das ein schöner Ausflug, den wir mit einem Einkaufsbummel im Bahnhof (!) beenden.