Trotz aller Bedenken wage ich es …

Mit gemischten Gefühlen und eher beunruhigt mache ich mich erneut auf in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich glaube, wenn es nicht der runde Geburtstag meiner Freundin wäre, hätten mich zur jetzigen Zeit keine zehn Pferde in die USA jagen können.

Mein Flieger startete absolut pünktlich, es gab keine Probleme mit der Maschine (es war ja auch ein Airbus und nicht wie beim letzten Mal eine Boeing). Wir landeten pünktlich in Atlanta und der Zollbeamte winkte nur müde ab, als ich ihm meine ESTA präsentieren wollte. Von scharfen Durchsuchungen oder Handykontrollen keine Spur.

In kürzester Zeit stand ich in der Ankunftshalle. Mein Empfangskomitee ließ etwas auf sich warten, aber um so größer war die Wiedersehensfreude.

Die zweistündige Fahrt bis an unser endgültiges Ziel war trotz der Rush Hour durchaus angenehm – bis wir ausstiegen und ich feststellte, dass ich meinen Rucksack verloren hatte. Samt Laptop, Ausweispapieren, Flugticket. Wie und wann … nobody knows. Ich war leicht geknickt und sah mich schon auf dem Rückweg zum Flughafen, um meinem Schatz zu suchen. Aber ich hatte gar keine Zeit zu überlegen. Eine mir bis dahin völlig unbekannte Frau, die zufällig bei meiner Freundin zu Besuch war, kümmerte sich sofort um mein Problem. Sie suchte die Kontaktdaten des Fundbüros am Flughafen raus, füllte das Suchformular aus, teilte meine Daten mit und rief im Fundbüro an, ob auch alles angekommen war. Ihr könnt euch vorstellen, wie dankbar ich war.

Das war Samstag.

Am Montag erhielt ich eine E-Mail vom Fundbüro, dass man meinen Rucksack leider nicht gefunden habe, aber ich solle die Hoffnung nicht aufgeben. Es sei schließlich Wochenende gewesen und da dauere es manchmal ein paar Tage, bis Fundsachen abgegeben werden.

Am Mittwoch dann: „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Rucksack bei uns abgeholt werden kann.“ Die Freude war ganz meinerseits! Der Sohn meiner Freundin hat mir dann noch den Gefallen getan und den Rucksack in Atlanta abgeholt. Zwei Stunden Fahrt hin und auch wieder zurück! Das kann ich ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Es versteht sich von selbst, dass noch alles vorhanden war. Leider wurde mir nicht mitgeteilt, wer der ehrliche Finder war.

 

Der Rest der Woche verging dann mit Vorbereitungen für die große Geburtstagsfeier. Einkaufen, Deko herstellen, Rohkost schnippeln, Fleischspieße herrichten, Tische aufstellen usw. 

Der Tag der Feier bescherte uns wunderbares Wetter – die Tage vorher hatte es oft geregnet – und der Abend verlief sehr harmonisch. Rund 20 Gäste waren anwesend, die sich zum Teil gar nicht kannten, aber man hätte meinen können, hier sitzen alte Freunde zusammen. Für mich war das auch ein ganz besonderes Erlebnis, denn ich durfte wieder einmal erfahren, wie offen, herzlich und interessiert man in diesem Teil der Welt Fremden gegenüber ist. 

Ein Highlight dieses Abends: Toby, dem Sohn meiner Freundin, gehört ein Oldtimer, den er von seinem Großvater geerbt hat. Ein Nash von 1916 – und immer noch verkehrstauglich, wovon sich fast alle Gäste gerne haben überzeugen lassen. Armer Toby! Statt zu feiern, kutschierte er durch die Gegend. Aber es hat ihm genauso viel Spaß gemacht wie seinen Beifahrern.

Apropos Wetter: Wie gesagt, es regnete schon des Öfteren, aber zum Glück hat der Apalachee River nur den Wald geflutet, aber vor dem Garten halt gemacht. Wer aber dieses Wetter ganz hervorragend fand, das waren (mindestens) Tausende von Fröschen, die uns abends lautstark unterhielten – und wirklich so laut, dass eine normale Unterhaltung kaum möglich war.

Normalerweise ein stilles, ruhiges Flüsschen: der Apalachee River
Bereit für das abendliche Konzert – und man fragt sich, wie so kleine Pöggsken so viel Lärm machen können 

Die restlichen zwei Wochen vergingen viel zu schnell. Wir besuchten Familie und Freunde, den Streichelzoo von Toby und Bry, und hatten eine gute Zeit.

Zu den Tieren gehört auch Ziggy, das Schwein – und das ist eines im wahrsten Sinne des Wortes, hat er doch einen Angriff auf mich gestartet, um mich zu Fall zu bringen, was ihm dann aber zum Glück nicht gelungen ist. Mein Freund wird das nicht mehr!

Einer der Freunde, die ich kennenlernte, ist Eisenbahnfan und hat sich mit einem anderen Kollegen zusammengetan, um seinem Hobby zu frönen. Die Anlage ist in einer Scheune von 400 m² untergebracht. Nachdem Michael gehört hat, dass ich jemanden kenne, der auch eine Modelleisenbahn besitzt, wurden wir sofort eingeladen. Also fuhren wir an einem Vormittag hin, um sie uns anzusehen. An dem Tag war eigentlich kein Besuchstag, aber für uns öffnete man die Tore. Jedem Eisenbahnfan würde hier das Herz aufgehen! So viele Loks und Strecken, die mit so viel Liebe angelegt und gepflegt werden. Michael und Peter erzählten uns, dass sich mittlerweile auch zwei Eisenbahnclubs aus Atlanta an dem Projekt beteiligen, und es gibt bestimmte Tage, an denen alle anwesend sind, um die Anlage weiter auszubauen.

Wie ich Wochen später erfahren habe, ist bei einem Sturm ein Baum auf die Scheune gefallen und hat einen Teil der Anlage zerstört. Das tut mir wirklich sehr leid. Ich hoffe, den Eisenbahnern gelingt der Wiederaufbau zügig.

Natürlich machten wir auch einen Ausflug nach Athens, flanierten kurz durch die Innenstadt und den Universitätspark – offensichtlich die Heimat aller nordamerikanischen Eichhörnchen. Wohin man auch blickte, sie waren überall. Hier ist die Natur wohl noch in Ordnung. 

Und noch ein bisschen Kunst im Parkhaus

Wie schon vor zwei Jahren, genossen wir unsere abendlichen Ausflüge mit dem Golfcart durch die Siedlung und anschließend über den Golfplatz. Herrlich, diese Ruhe!

Und zur Belohnung zeigten sich auch fast immer Rehe, die langsam in der Abenddämmerung aus dem Wald kamen.

Und natürlich wollte ich auch unbedingt noch mal zu den Gräbern der Konföderierten. Und sie waren tatsächlich noch da.

Ein Abend endete dann allerdings etwas anders: Mitten auf dem Golfkurs hatte der Golfwagen keine Lust mehr und blieb stehen. Und nun? Den Wagen aus dem Weg zu schieben … für uns unmöglich. Stehen lassen ging aber auch nicht. Zu allem Überfluss wurde es dunkel und wir waren kilometerweit von unserer Basis entfernt. Zum Glück befanden wir uns nicht in einem Funkloch und meine Freundin rief ihren Sohn Toby an. Der kannte sich sehr gut auf dem Platz aus und wusste, wo wir waren. Mit vereinten Kräften schoben wir das Cart bis zur Straße, wo Bry schon wartete, um uns abzuschleppen. Danach musste das Wägelchen leider erst mal in die Werkstatt und vorbei war es mit den schönen Ausflügen.

Dafür warteten ein paar andere schöne Erlebnisse auf mich. Ihr dürft gespannt sein …