So ein schöner, verwirrender, nachdenklich stimmender, grausamer, erschreckender Abend im Capitol-Theater in Düsseldorf.

 

Das neue Programm von Ben Becker „Apokalypse“ beruht auf dem Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad. Einige werden es wissen: Der Film „Apokalypse now“ ist ebenfalls eine Adaption dieses Romans, verlegt in ein anderes Land und eine andere Zeit. Wer den Roman kennt, weiß, worum es geht, allen anderen sei das Internet empfohlen.

Zwei Dinge sollte ich wohl noch vorausschicken: Ich mag keine Hörbücher. Wenn man mir etwas vorliest, drifte ich nach kurzer Zeit in meinen Gedanken weg. Das Zweite ist: Ich bin kein ausgesprochener Ben-Becker-Fan.

Warum also dann diese Aufführung?

Ganz einfach: Ich habe Ben Becker im Rahmen der Ruhrfestspiele 2011 bei seiner Lesung von „Todesduell“ von John Donne erlebt. Das ist mir so in Erinnerung geblieben, dass ich, als ich gefragt wurde, ob ich mit ins Capitol-Theater möchte, spontan „Ja, ich will“ gesagt habe.

 

Das Bühnenbild

 Wenn mich „Todesduell“ schon fasziniert hatte, dann ist dieser Abend noch fast eine Steigerung gewesen. Ben Becker vor fast ausverkauftem Haus in Höchstform. Er hat uns wieder einmal einen eindrucksvollen Einblick in seine Stimmgewaltigkeit und Tonlagen geboten. Am Ende bleibt das Publikum wie vom Donner gerührt, ehe – mit ein wenig Verspätung – frenetischer Applaus einsetzt. Und die Standing Ovations hat der beeindruckende Vorleser mehr als verdient.

Wahrscheinlich geht es nicht nur mir so: Wer den Mann mal hat lesen oder rezitieren hören, der kann gar nicht anders, als sich dieser Stimme zu überlassen. Was in Film und Fernsehen häufig leider nicht so rüberkommt, ist diese wunderbare, begnadete Stimme, die einen in den Bann zieht und förmlich verfolgt. Für Menschen wie Becker ist Theater gemacht. Und ohne ihn in eine Schublade packen zu wollen: Eindringliche Texte, die unter die Haut und in den Kopf gehen, brauchen eine Stimme wie die von Ben Becker.

Auch dieser Abend wird mir noch lange in Erinnerung bleiben – nicht nur wegen der hervorragenden Performance, sondern auch wegen der Zuschauer hinter und vor mir. Der Mensch hinter mir konnte seine Beine und Füße nicht still halten, so dass mein Sitz die ganze Zeit in Bewegung war und schaukelte. Der Mensch vor mir konnte sich nicht entscheiden, wie er seinen Kopf halten sollte: nach rechts geneigt, nach links geneigt oder auch mal geradeaus? So war auch ich die ganze Zeit in Bewegung und konnte das Gefühl der Schifffahrt nicht nur innerlich nachvollziehen, sondern sogar ganz konkret spüren. Interaktives Theater sozusagen. Aber darüber sieht man hinweg, wenn alles andere einfach nur gelungen ist.

Wer die Möglichkeit hat, dieses Programm live zu erleben, der sollte sich diese Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen. Noch bis zum 15. Juni 2023 (und dann noch mal am 15.12.2023) ist Becker in verschiedenen Städten auf Tour. Termine und Orte findet ihr unter www.benbecker.de