Wer wie ich im Ruhrgebiet zu Hause ist, der kennt sie zumindest dem Namen nach: die ExtraSchicht … Immer am letzten Samstag im Juni verwandelt sich der Pott in ein Kulturfestival mit weit über 200 000 Besucherinnen und Besuchern, 50 Spielorten, 24 Städten – eine ganze Nacht lang. Na gut, nicht eine ganze Nacht, aber immerhin 8 Stunden, die gespickt sind mit interessanten, aufregenden, lustigen, gemütlichen und immer gut gelaunten Künstlern.
Die Idee hinter diesem Spektakel ist es, das industriekulturelle Erbe der Region sichtbar zu machen und gezielt miteinander zu vernetzen – und das seit 2001 (und durch das 20jährige Jubiläum hat uns, wie bei so vielen Veranstaltungen, Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht).
Schade, dass eine Nacht wirklich nur 1 und nicht 1 000 Nächte dauert. Was hätte man nicht noch alles erleben, welche Stätten hätte man nicht noch besuchen können … Das ist nach jeder ExtraSchicht das große Bedauern. Aber wie heißt es so schön: Vorfreude ist die reinste Freude und nach der ExtraSchicht ist vor der ExtraSchicht.
Wer diese Nacht (die natürlich schon gegen Mittag beginnt) schon mal erlebt hat, der weiß, wie schwierig es ist, sich auf die vom Veranstalter empfohlenen 3 Events zu beschränken. Überall im gesamten Ruhrpott haben sich Gruppen und Künstler Gedanken gemacht, wie sich die Industriedenkmäler ins rechte Licht rücken ließen. Eigentlich möchte man alles sehen – aber das geht aus verschiedenen Gründen nicht. Einerseits liegen die Orte teilweise weit auseinander, andererseits gibt es an jedem einzelnen Ort so viel zu sehen, dass man schon aus Zeitgründen nicht weit kommt. Shuttle-Busse, Straßenbahnen, selbst Bötchen bringen die Kulturhungrigen kostenlos von einem Ort zum anderen.
Im Jahr 2015 haben wir uns für 2 Spielstätten entschieden: den Gasometer in Oberhausen und den Tetraeder in Bottrop. Und im Nachhinein denke ich, wir haben eine gute Wahl getroffen.
Wer es nicht allzu eilig hatte, schnell zum nächsten Spielort zu gelangen, konnte weitere Attraktionen entdecken, beispielsweise diese Figur, die zwischen den Bäumen zu schweben schien und die nur durch ihre leuchtenden Umrisse zu erkennen war. Projektion oder Realität?
Wir haben es herausgefunden: Es war tatsächlich ein Mensch, der sich da durch die Botanik hangelte.
Dann wurde es Zeit, sich nach Bottrop aufzumachen, wo am Tetraeder um 00:30 Uhr eine ganz besondere Finalshow stattfinden sollte, nämlich eine Aufführung des Feuertanztheaters firedancer. Doch bis wir bis zum Fuße des Tetraeders vordringen konnten, wartete ein 20minütiger Fußmarsch durch den Wald die dunkle Halde hinauf auf uns. Teilweise konnten wir den Weg gar nicht mehr erkennen und der einsetzende Nieselregen hob die Stimmung nicht unbedingt. Aber das Auge bekam trotz Dunkelheit auf dem Weg „nach oben“ reichlich zu sehen. Hin und wieder waren Bäume in leuchten Farben angestrahlt und verbreiteten eine zauberhafte Stimmung. Dann wieder standen „Bergleute“ (dargestellt von Studierenden der Folkwang Universität der Künste) am Wegesrand, die mit ihren Grubenlampen für ein wenig Licht sorgten und darauf achteten, dass niemand gefährliche Abkürzungen nahm. In den Kurven gab es weitere Attraktionen, zum Beispiel einen U(h)rwald oder ein Lesepult (das wegen der Dunkelheit natürlich nicht mehr besetzt war), eine Wahrsagerin sowie überall und nirgends Feen und Elfen, die wunderbar in das geheimnisvoll anmutende Ambiente passten.
Dann waren wir endlich angekommen, es war kurz vor halb eins. Trotz des nun stärkeren Regens warteten zahlreiche Zuschauer auf die Show. Gegen 00:40 Uhr kam einer der Akteure in die Manege und verkündete, dass der Regen leider ein Problem sei und man nicht wisse, ob die Show stattfinden könne. Die ersten Besucher verließen daraufhin das Plateau, aber die meisten harrten aus. Nach weiteren fünf Minuten hieß es dann, man würde noch mal 10 Minuten warten und hoffen, dass der Regen sich vielleicht verzieht. Und der Wettergott hatte ein Einsehen: Um 1:00 Uhr endlich ging es los.
Was soll ich sagen: Das Warten hat sich gelohnt. Die Show der Feuertänzer war phänomenal gut. Die zu den firedancers gehörende Band, bestehend aus 3 Schlagzeugern, sorgte ebenfalls dafür, dass es den Zuschauern warm wurde. Zwischendurch gab es kleinere Feuerwerke sowie ein großes Abschlussfeuerwerk.
Hörten wir beim Aufstieg zur Halde von anderen „Wanderern“ mitunter ein wenig Murren („Wie weit ist es denn noch?“ – „Sind wir überhaupt richtig?“ – „Wenn ich das gewusst hätte …“), war davon beim Abstieg nichts mehr zu hören. Alle waren voll des Lobes, der Anerkennung und Begeisterung. Am Wegrand standen immer noch die Bergleute, Feen und Elfen und leuchteten den Heimkehrern den Weg. Vor allem aber wurden sie nicht müde, sich bei allen Besuchern zu bedanken und ihnen einen guten Heimweg und noch eine angenehme Nacht zu wünschen.
Der Besuch auf der Halde war ein gelungener Abschluss der 15. ExtraSchicht.
Die ExtraSchicht 2022 findet am 25. Juni statt – ein Termin, den ich mir schon mal notiert habe!